"Die iranisch sprechenden Juden, deren Herkunft sich in das antike persische Reich zurückverfolgen lässt, bildeten bis in das 16. Jahrhundert eine Gemeinde. Gespalten wurde sie durch die Errichtung des schiitischen Königreichs der Safaviden, das den Iran vom sunnitischen Zentralasien separierte. Letzteres spaltete sich im 18. Jahrhundert in die Staaten Bucharien und Afghanistan. Seither hatten die drei Gemeinden kaum Kontakt zueinander oder zur Außenwelt, doch einige Ähnlichkeiten in der Küche - besonders bei den Reisgerichten und der Kombination von Früchten mit Fleisch und Reis - verweisen auf die ehemalige Einheit.
Die bucharischen Juden blieben vom restlichen Judentum bis 1793 abgeschottet. Damals soll ein Gesandter aus Tétuan in Marokko, Joseph Maman al-Maghribi, von ihrer Unwissenheit schockiert gewesen sein und beobachtet haben, wie Gruppen von ihnen zum Übertritt zum Islam gezwungen wurden, weshalb er sich zum Bleiben entschloss. Er wurde ihr Anführer und gründete die Bewegung Chibbat Zion (Liebe zu Zion), die letzlich Tausende von Juden nach Jerusalem brachte, zunächst als Siedler, später als Pilger. Sie begannen im 19. Jahrhundert in Jerusalem zu siedeln. Die Zuwanderung nahm zwischen 1917 und 1924 zu, als die Russische Revolution sie unter bolschewistische Herrschaft brachte. Lange Zeit hatten sie in Jerusalem ein eigenes Viertel mit eigenen Synagogen und die Gemeinde behielt ihre ethnische Identität. Vor nicht allzu langer Zeit belebten Neuankömmlinge aus der Sowjetunion in Israel und den USA mit ihren farbenfrohen Seidengewändern die ursprüngliche Identität.
Die bucharischen Juden, die in Städten wie Samarkand, Buchara, Taschkent, Duschanbe, Kokand und zahlreichen kleinen Städten in Usbekistan lebten, sind bekannt für gutes Essen und Gastfreundschaft, Traditionen, die sie mit ortsansässigen Muslimen teilten. Im Gegensatz zu afghanischen Juden, die vorwiegend arme Bergbewohner waren, und zu persischen Juden, die sehr arm gewesen waren, bevor sie unter dem Schah freier und wohlhabender wurden, hatten bucharische Juden immer gut gelebt. Wie sie sagen, gabe es immer eine Kuh oder ein Schaf zum Schlachten, ihre großen Festessen sind legendär.
Von Penina Mirzoeff, die bis 1925 in Samarkand lebte, habe ich die bucharischen Rezepte in diesem Buch. Sie erzählte von der Gemeinde, blühend und wohlhabend bis zur Russischen Revolution. Juden waren vorwiegend Kaufleute. Sie waren am Seidenhandel beteiligt, als Samarkand an der Karawanenstraße nach China lag. Später brachten sie Ware aus Moskau, die sie auf örtlichen Märkten verkauften. Sie produzierten die vielfarbigen, mit Blumen bedruckten Seidenstoffe, für welche die Bucharen berühmt sind. Alles, was die benutzten, bestand aus reiner Seide - Kleider, Kopftücher, Vorhänge, Bettüberwürfe, Polster. Seidenmäntel und Hüte waren mit echtem Goldfaden bestickt. Juden handelten auch mit Edelsteinen - Lapislazuli und Saphir. Herrn Mirzoeffs Familie handelte mit Pelzen aus Afghanistan. Es gab eine großen Klasse Reicher. Es gab in der Gemeinde keine Bettler. Sogar die Armen hatten Arbeit, sie handelten mit kleinen Stoffstücken und besaßen eigene kleine Häuser. In Samarkand lebten die meisten in der Altstadt, die neben dem Markt und dem Basar lag. Manche lebten außerhalb in großen Häusern."
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Das traditionelle bucharische Freitagabendessen beginnt mit boyjon (Melanzanipüree mit Salz und Knoblauch) und einem Salat aus gehackten Tomaten, Gurken, Blattsalaten, Zwiebeln und Koriander mit Salz und Zitrone, gefolgt von gebratenem Fisch in einer Sauce mit Knoblauch und Koriander. Das Hauptgericht, yakhni, besteht aus zwei Sorten gekochtem Fleisch und Huhn. Das Fleisch wird erst bei Tisch aufgeschnitten und serviert mit etwas Suppe, gekochtem Gemüse - Karotten, Kartoffeln, Lauch und Rüben - als Garnitur. Die Spezialität des Freitagabends ist khalti barsch - Reis mit Faschiertem und Leber sowie reichlich gehacktem Koriander, alles in einem Stoffsack gekocht.
Bildquelle: https://www.amazon.de/Das-Buch-J%C3%BCdischen-K%C3%BCche-Samarkand/dp/3854763883
Zitat aus: Claudia Roden, Das Buch der jüdischen Küche. Eine Odyssee von Samarkand nach New, York, S. 381 f, Englisch: Claudia Roden, The Book of Jewish Food, An Odyssey From Samarkand to New York
Board "Tradition, Heimat und Moderne im Judentum - Ordner Geschichte", Board "Eine kleine Kulturgeschichte der Küche", "Zug der Zeit D", Board "World War I" und Zug der Zeit E" sowie "It's Friday - Es ist Freitag"
Board "Asta und Helen" - Board "Kitchen - Witch in Ausbildung"
Bild-Quelle: https://www.amazon.com/Book-Jewish-Food-Odyssey-Samarkand/dp/0394532589