Dienstag, 2. Dezember 2014

















Der Weg der Symbolik





Bemerkenswert ist dabei jedoch, wie sich matriarchale Symbolik trotz der sich verändernden gesellschaftlichen Verhältnisse auch in den patriarchalen Jahrtausenden noch erhält. In der Jungsteinzeit entwickelt, wurde sie auch in der Bronzezeit mit ihren spätmatriarchalen Mustern weitergeführt, sie wurde in dieser Epoche sogar deutlich differenziert und bereichert. Doch auch in der frühpatriarchalen Epoche erlosch sie nicht, obwohl die diversen frühpatriarchalen Reiche rasch entstanden und ebenso rasch wieder zerfielen, auf Kosten der geknechteten Bevölkerung. Aus vielen alten Kultplätzen wurden nun von den Kelten sogenannte "Keltenschanzen" gemacht, strategische Plätze, die deswegen militärisch so günstig lagen, weil sie sich in einem Netz von Sichtlinien befanden. Als auf die Kelten die ebenfalls frühpatriarchalen Germanen folgten, wurden daraus nun germanische strategische Plätze gemacht. Doch zahlreiche Plätze blieben Kultanlagen, wobei die frühere Kultstätte der Göttin nun zu einem Platz eines Keltengottes oder des germanischen Kriegsgottes umfunktioniert wurde.






Aber auch das geschah nicht überall, denn viele Stätten der matriarchalen Göttinnen blieben erhalten, auch wenn sie nun den obersten patriarchalen Vater- und Kriegsgöttern untergeordnet wurden. Man verehrte auch diese Göttinnen weiter, doch sie wurden nun mit keltischen, dann mit germanischen Namen benannt, obwohl sie weder "keltische" noch "germanische" Göttinnen waren. Die Bauern übernahmen viele Gedanken aus der matriarchalen Weltanschauung, denn noch immer hatten sie mit Mutter Erde zu tun und hingen von deren Wohlwollen ab, ebenso davon, welches Wetter oder Unwetter der Himmel ihnen sandte. In den südlichen Teilen Mitteleuropas und entlang der großen Flüsse wurde eine römische Kulturschichte darübergestülpt. Hier erhielten die keltisierten Göttinnen dann römische Namen, und eine keltisch-römische Mischkultur entstand. Die römischen Kastelle, die Kasernen des neuen Imperiums, wurden wiederum auf die "strategisch günstigen" Kultplätze gesetzt. Und auf die schnurgerade Kultlinien, die alten Wege, baute man nun die schnurgerade Römerstraßen, die jetzt nicht friedliche Händler-Pilger, sonderen marschierende Soldaten auf dem schnellsten Weg zum Ziel brachten. Dennoch verraten die fortdauernden Überbauungen noch immer, welche Strukturen zuvor in der Landschaft bestanden haben.








Im Mittelalter fuhr man mit der Überbauung fort, denn seine Zwingburgen, heute meist zu Ruinen zerfallen, stehen größtenteils auf Kultstätten jungsteinzeitlich-bronzezeitlicher Herkunft und gewähren den berühmten "strategischen" Weitblick. Was an Kultstätten noch übrig war, wurde keltisiert, romanisiert oder germanisiert, wurde mit Kapellen, Kirchen und Klöstern besetzt, denn nun wurde alles Vorhergehende unterschiedslos unters "Heidentum" subsumiert. Diese brachte einen scharfen, weltanschaulichen Bruch mit sich, denn die vorigen Gottheiten wurden jetzt verteufelt und systematisch ausgemerzt, was insbesondere für die Göttinnen galt. Manche der uralten Göttinnen und Götter wurden - wo es möglich war - zu "Heiligen" umfunktioniert und mit Märtyrer-Legenden versehen, und im Hochmittelalter war es dann die christliche Maria, welche die Göttinnen ersetzen und jede Erinnerung an sie tilgen sollte.









In: Heide Göttner-Abendroth, Matriarchale Landschaftsmythologie. Von der Ostsee bis Süddeutschland, Erschienen 10/2014




















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