Montag, 25. Dezember 2017
































Die wilde Jagd - The Wild Hunt - Die zwölf Raunächte







Die Venus-Sage vom Hörselberg hat noch eine weitere Bedeutung der tiefen Höhlen in den Kultbergen gezeigt. Sie waren nicht nur Orte von Tod, Unterwelt und Wiedergeburt, sondern auch Orte der Liebe. Der Weg in die Höhle war nicht nur Todesweg, sondern konnte auch Liebesweg sein. Diese Liebe galt der Erdmutter in Gestalt der Frau Holda, die durch die Holda-Priesterinnen in der Höhle verkörpert wurden.
Gleichzeitig war der Hörselberg jedoch auch ein Seelenberg, worauf andere Sagenbruchstücke hinweisen. So galt er bereits Anfang des 16. Jahrhunderts als "Geisterberg", in dem man die Seelen lärmen hörte. Wie vom Weißner in Hessen gibt es auch vom Hörselberg Mythenfragmente von der Wilden Jagd: Sie komme als Seelenzug aus dem Berg hervor, angeführt von der Frau Holda, brause während der zwölf Raunächte durch die Lüfte und verschwinde am Dreikönigstag mit einem harten Klang wieder im Berg.
Gemeint ist damit der Zug der Totengeister und Ahnenseelen, die im Wintersturm daherfahren und am 6. Januar (sogenannter "Dreikönigstag"), wenn sich die Tore zur Unterwelt schließen, wieder heimkehren. Doch umfasst dieser Geisterzug nicht nur die menschlichen Seelen, die Ahnen und ungeborenen Kinder, sondern auch die Seelen aller Pflanzen und Tiere, die im Herbst sterben und im Frühling wiedergeboren werden. Daher sieht man die Fußspuren von Tieren vor dem Hörselberg, nachdem der Zug wieder heimgekehrt ist. Der Seelenzug brachte nicht nur Schrecken für die Menschen, sondern ebenfalls Segen - ein sehr altes Motiv, das gültig war, bevor der germanische Wodan die Wilde Jagd übernahm und als "Wildes Heer" zu etwas Furchterregendem machte. Dieses Motiv wird viel zu selten beachtet. So heißt es, dass Felder, Obstgärten und Wiesen, über die die Wilde Jagd dahinfuhr, im kommenden Jahr besonders prächtig gediehen. Das Segnen des Landes, wann immer sie umhergeht oder umherfährt, ist typisch für die Göttin Holle/Holda.









Heide Göttner-Abendroth, Matriarchale Landschaftsmythologie. Von der Ostsee bis Süddeutschland, Kohlhammer 10/2014
































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