In: Gerda Weiler, Das Matriarchat im Alten Israel, Kohlhammer 1989
"An der syrischen Küste ist seit 1928 eine Ausgrabung von epochemachender Bedeutung im Gang. Bisher kannte man die kanaanäische Kultur nur vermittelt durch die Geschichtsschreibung anderer Völker. Zum ersten Mal tritt uns ein phönizischer Stadtstaat mit seinen Tempeln und Palästen, mit seiner materiellen und geistigen Kultur, vor allem aber mit einer Religion, die wir bisher nicht gekannt haben, entgegen. Die Parallelen zur hebräischen Bibel sind auffallend und fordern eine Revision der biblischen Exegese heraus.
"Der matriarchale Gott ist nicht der Vater, sondern der Sohn. Horus ist der Sohn der Isis, Adonis ist Astartes Sohn. Der matriarchale Gott ist nicht der Schöpfer, sondern das Geschöpf. Er ist nicht der Herr des Himmels, sondern verkörpert die Erde und ihre Vegetation. Der matriarchale Gott ist sterblich. Sein Kultträger auf dem irdischen Thron wird durch die Hohepriesterin erwählt und mit dem Königsamt betraut. Der matriarchale Gott ist Adon, das heißt "der Herr" oder einfach "der Mann". Er ist das uranfängliche Mannesgeschöpf der Himmelsherrin. Auch das hebräische Adonai gehört in diesen Bedeutungszusammenhang. Wenn wir Adonai mit "Gott, der Herr" übersetzen, projizieren wir einen Begriff, der im Lauf der christlich-abendländischen Bewußtseinsentwicklung erst entstanden ist, in eine Vergangenheit, die keine kosmische Dimension des männlichen Prinzips gekannt hat."