Montag, 30. Juni 2014




















"Sperre sie ein, denn das schafft Ergebenheit."
(aus den Lehren des Wesirs Ptahhotep, Altes Reich)





Freiheitsberaubung: Der Harem







Der Mythos vom erotisch-schwülen Harem, bevölkert von sich lasziv auf Seidenkissen räkelnden blutjungen Schönheiten, die ihre Zeit damit verbringen, auf die Gunst ihres Herrn und Gebieters zu warten, ist das Produkt von Männerphantasien und hat mit der Wirklichkeit wenig zu tun.
Ursprünglich war der Harem Teil eines Tempelbezirks der Göttin, so war 'Haram' das Heiligtum der babylonischen Göttin 'Har', der 'Großen Hure von Babylon', Mutter der heiligen Tempelfrauen der Horen; ein heiliger Distrikt, der von der Priesterkönigin und gebildeten Frauen bewohnt war, die zugleich religiöse, soziale, pädagogische, künstlerische und staatstragenden Funktionen, also Macht hatten. Die Eroberer brachten die Tempel unter ihre Gewalt und mit ihnen die Priesterkönigin, die Priesterinnen und die anderen gelehrten Frauen (Heilkundige, Hebammen, Lehrerinnen, Verwalterinnen, Künstlerinnen usw.) und machten sie zu Gefangenen.







Die Priesterkönigin - so wird vermutet - wurde als Inhaberin der Königskrone zur Heirat mit dem Erobererkönig gezwungen, um seine Machtaneignung zu legitimieren. Da die Königinnen diese Schmach wohl kaum freiwillig ertragen hätten, mußten sie, um ihre Flucht zu verhindern, eingesperrt werden. Dasselbe galt auch für ihre Töchter, denn nur sie waren Thronerbinnen und konnten wiederum durch Heirat einen Mann ihrer Wahl zum König machen und damit selbst ihren königlichen Vater des Thrones entheben. Dies geschah noch in biblischen Zeiten, wo König David den Harem zum gleichen Zweck errichtete - "die Frau des rechtmäßigen Königshauses Saul sollte abgesondert und die Monarchie für Davids eigene Familie bewahrt werden". (Gould Davis 1987, 125)
In der späteren arabischen Welt wurde "der Kalifenpalast in zwei Teile geteilt, genau wie die Welt, in einen männlichen Teil, wo der Herrscher die Macht ausübt und die Gewalt in Händen hält, und in einen weiblichen Teil, den Harem, wo die Frauen von allem ferngehalten werden, was nur annähernd mit Macht zu tun hat" (Mernissi 1992, 178).
Bereits in der 1. Dynastie wurden die Harems durch die auf ausländischen Kriegszügen erbeuteten Frauen erweitert. Dewen (1. Dynastie), der "Fremdlandbewohner" genannt, verschleppte 17.000 Asiatinnen, die ebenfalls "Fremdlandbewohnerinnen" genannt wurden - was für die Herkunft der Eroberer aufschlußreich ist -, und behielt einen Teil davon in seinem ägyptischen Harem. Der barbarische Brauch hielt sich bis ins "hochzivilisierte" Neue Reich, ja bis Anfang dieses Jahrhunderts








... Das ägyptische Wort für Harem, "khent", ist das gleich wie für Kerker/Gefängnis, und das ist es auch, was man sich darunter vorstellen muß. Die "Abgeschlossenen", wie sie auch genannt wurden, sind vielfach bewacht, durch den "Vorsteher des königlichen Harems", der die Frauen einschließt, und "Türhüter", welche die Damen an "unnützem Verkehr mit der Außenwelt" hindern. (Ermann 1984, 87)
Es zeugt von unfaßbarer Empfindungslosigkeit, diese Gefängnisse, in denen Frauen ihrer Freiheit beraubt, vergewaltigt, verkauft, verschenkt und zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden, heute zu Luxusbordellen mit "hoch erotischer Atmosphäre" (Schlichting) (für wen hocherotisch?) zu verklären.
Man dürfe diesen Bezirk, "in dem Frauen als Sexualobjekte zur Verfügung stehen", nicht unter einem "sozialethischen Gesichtspunkt" betrachten, belehrt uns der Ägyptologe Robert Schlichting, "denn er stellt einen innenpolitischen Machtfaktor dar, der mit der bedeutenden Stellung der Königin und ihres Hofstaates steht". (Schlichting LÄ/V/920) Der "innenpolitische Machtfaktor" im Interesse des Mannes steht über der Sozialethik und Moral gegenüber Frauen und bestand in Freiheitsberaubung, der Aneignung des weiblichen Körpers, ihrer Güter, des weiblichen Wissens, der weiblichen Kreativität, der weiblichen Errungenschaften der matriarchalen Zeit, der weiblichen Schöpfungskraft und Arbeitskraft und war somit in erster Linie ein ökonomischer Machtfaktor von unermeßlicher Bedeutung.
Doch all dies hätten sich die Herrscher natürlich auch durch andere Maßnahmen aneignen können. Mit der Verwahrung der Frauen wurden noch andere Ziele erreicht; etwa das, den Kontakt der weisen Frauen des Landes zu ihren Landsleuten zu unterbinden. (Die nach Ägypten verschleppten babylonischen Prinzessinen im Harem Echnatons durften nicht einmal Boten ihrer Familie empfangen. (Helck, "Nofret" Ausstellungskatalog 1985,12)








Durch die Gefangenhaltung der Priesterkönigin und der gebildeten Frauen wurden die Ägypterinnen ihrer religiösen und kulturellen Leistungen beraubt und waren der Willkürherrschaft der Despoten vollständig ausgeliefert. Ein weiteres Ziel bestand darin, die Macht der Hebammen, die den Frauen bisher ihr Wissen der Geburtenregelung vermittelt hatten, zu eliminieren, um die gewünschte Menschenproduktion, die für die Kriege benötigt wurde, zu beschleunigen. Und die Frauen im Harem selbst konnten gezwungen werden, die Kinder ihrer Vergewaltigung auszutragen und dem Pharao viele Kinder zu gebären. Zusammen mit den Frauen war die Gefangenhaltung der weisen Frauen das beste Mittel, um das alte Wissen der Geburtenregelung auszurotten und die Frauen zu verdummen ...









Doris Wolf, Was war vor den Pharaonen? Die Entdeckung der Urmütter Ägyptens

























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